Gedanken über die Cargo-Kult-Wissenschaft
Aber Feynman kommt schnell zu dem Schluss,
dass wir auch heute nicht in einer wissenschaftlichen Welt leben. "Aber
auch heute treffe ich sehr viele Leute, die mich früher oder
später in eine Unterhaltung über UFO's, Astrologie,
Formen von Mystizismus, Bewußtseinserweiterungen, neue Arten von
Bewußtsein, ESP und so weiter verwickeln. Und ich habe daraus
gefolgert, dass wir nicht in einer wissenschaftlichen Welt leben."
Auf seiner Suche zu verstehen, warum die
meisten an so viele erstaunliche Dinge glauben, wurde er von der
großen Menge von Unsinn überwältigt, die er vorfand. Er
beschreibt in humorvoller Weise seine Erfahrungen mit Esalen, ein
Massageinstituat an der amerikanischen Westküste, wo einst der
Indianerstamm Esselen lebte. Eine Massageprxis mit der Philosophie den
Menschen als einmaliges und vollkommenes Individuum zu betrachten. Auch
Feynmans Versuche sich von Uri Geller die Gedanken lesen zu lassen
schlugen - slebstverständlich - fehl.
Feynman kritisiert aber auch Pseudowissenschaften, die fern von
esoterischen Gedanken liegen. Pädagogische Methoden, Kindern das
Lesen oder mathematisches Denken beizubringen, die aber keine Erfolge
vorzuweisen hätten. Dennoch würden wir solche Methoden nicht
absetzen. Ein weiteres Beispiel sei die Art, wie wir Kriminelle
behandelten: Eine Menge von Theorien, aber keinerlei Fortschritte die
Kriminilatätsrate zu senken.
Feynman wörtlich: "In der Südsee existiert ein Cargo-Kult Volk. Während des Krieges Flugzeuge mit vielen brauchbaren Gütern landeten, und nun möchten sie, dass die gleiche Sache wieder passiert. So sind sie übereingekommen, Landebahnen anzulegen, Leuchtfeuer an deren Seiten zu entfachen und eine Holzhütte zu bauen, in der ein Mann - der Fluglotse - mit zwei Holzstücken wie Kopfhörern und Bambusstecken als Antennen sitzt. Sie warten darauf, dass die Flugzeuge landen. Sie machen alles richtig. Die äußere Form ist perfekt. Es sieht genauso aus, wie es früher ausgesehen hatte. Aber es funktioniert nicht. Keine Flugzeuge landen. Solche Dinge nenne ich Cargo-Kult-Wissenschaft, weil sie all den
scheinbaren Vorschriften und Formen der wissenschaftlichen Untersuchung folgen, aber etwas Wesentliches vermissen lassen, dass nämlich die Flugzeuge nicht landen."
Für Feynman ist wissenschaftliche Integrität ein Prinzip eines wissenschaftlichen Gedankens der mit absoluter Ehrlichkeit einhergeht. Er sagt, dass man bei der Durchführung eines Experimentes über alles berichten sollte, was es ungültig machen könnte. Man sollte auch mögliche andere Ursachen angeben, die auch die Ergebnisse des Experimentes erklären könnten. Man muss bei einer Veröffentlichung auch alle Details nennen, die Zweifel an der eigenen Interpretation der Theorie aufkommen lassen könnten.
Feynman bringt als Negativbeispiel die Untersuchungen, die sich mit
der Verfeinerung des von R. Millikan (1868 - 1953) gefundenen Wertes
für die Ladung eines Elektrons befassten. Bis zu Millikans
Versuchen kannte man nur den Wert des Verhältnisses zwischen
Ladung und Masse eines Elektrons, und man war natürlich an den
exakten Werten der Ladung und der Masse eines Elektrons interessiert.
Millikan führte folgendes Experiment durch: Durch die Einwirkung
von Röntgenstrahlen auf Luft erzeugte er Elektronen.. Diese werden
dann
von Öltropfen aufgenommen, welche zwischen zwei waagerecht
angeordneten Platten sinken. Die Sinkgeschwindigkeit eines Tropfens
kann zur Bestimmung seiner Masse benutzt werden. Die Platten werdeb an
eine elektrische Spannung angeschlossen, Pluspol an der obersten
Platte. Dann wird die Spannung so justiert, dass die
Öltropfen in der Schwebe gehalten werden. Aus der Masse des
Tropfens und der korrespondierenden Spannung
kann man die Ladung eines Tropfens berechnen.
In Millikans Auswertungen seines großartigen Experimentes gab
es jedoch einen kleinen Fehler: Er benutzte einen falschen Wert
für die Viskosität der Luft. Feynman kritisiert nun den
Umgang anderer Wissenschaftler mit dem falschen Wert für die
Ladung eines Elektrons. Sie trauten sich nicht einfach zu sagen, dass
sie einen neuen "anderen" korrekten Wert gefunden hätten, da sie
befürchteten, dass man dann z.B. bei ihren Berechnungen einen
Fehler aufdecken könnte. Es wurden sogar Werte eliminierte, die
sich zu weit von Millikans Ergebnissen entfernten. Forscher
formulierten ihre Ergebnisse mit "ein Wert, der ein wenig
größer ist als Millikans" und dann später, aufbauend
auf anderen, wurden die Werte in der sprachlichen formulierung weiter
immer größer im Verhältnis zu dem von Millikan
gefundenen, bis sie sich schließlich dazu durchgerungen hatten
nur noch von einem größeren Wert zu reden.
Feynman sieht die Verantwort des Wissenschaftlers nicht nur gegenüber anderen Wissenschaftlern sondern auch gegenüber Laien. Wissenschaftler müssen auch - oder vielleicht besonders - im Umgang mit Nicht-Wissenschaftlern darauf hinweisen, dass sie sich irren können. Feynmans Beispiel eines Freundes, der ihn um Rat fragte, was er im Radio über die Anwendungen seiner Arbeit sagen sollte. Er sah keine praktischen Anwendungen seiner Wissenschaft - er arbeitete als Kosmologe und Astronom - und wollte dies nicht im Radio zugegeben, da er fürchtete, dass man ihm dann zukünftig die Gelder streichen würde.
Feynman beendet seinen Vortrag mit den Worten: "Ich habe nur einen Wunsch für Sie - das Glück zu haben irgendwo zu sein, wo Sie die Art von Integrität, die ich beschrieben habe, aufrechterhalten können und dass Sie sich nicht wegen Ihrer Position in der Organisation, wegen finanzieller Zuwendungen oder ähnlichem gezwungen fühlen Ihre Integrität zu verlieren. Mögen Sie diese Freiheit haben."
Sicherlich gibt es diese glücklichen Leute, die sich Feynman wünscht, aber in unserer Zeit sind sie eine selten anzutreffende Spezies. Letztere Vermutung entbehrt jedoch noch eines wissenschaftlichen Beweises!
Feynmans Artikel findet sich auch in "Surely You're Joking, Mr.
Feynman!"
Richard P. Feynman (1918 - 1988).
Er studierte am Massachusetts
Institute of Technology, wo er 1939
seinen B.Sc. (Bakkalaureus der Naturwissenschaften) machte und an
der Princeton
University promovierte er im Jahre 1942. Wissenschaftlicher
Mitarbeiter an der Princeton University (1940-1941), Professor
der theoretischen Physik an der
Cornell University
(1945-1950), danach am California Institute of Technology (1950-1959).
1965 wurde er als ausländisches Mitglied in die Royal
Society in London gewählt. Er erhielt folgende Auszeichnungen:
Albert Einstein Award (1954,
Princeton);
Einstein Award (Albert Einstein Award College of Medicine); Lawrence
Award (1962).