Geschichten wider alle Vernunft

Nobelpreis Mathematik

oder die "Verhängnisvolle Affaire"

Jedes Jahr seit 1901 werden von den Zinsen aus dem Kapitalfond von Alfred Nobel, dem Erfinder des Dynamits, Preise an diejenigen verteilt, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen in ihrem Gebiet gebracht haben. So hatte es  Nobel in seinem Testament festgelegt. Die Gebiete, in denen der größte Nutzen für die Menschheit erbracht werden konnte, nannte er explizit: Physik, Chemie, Physiologie / Medizin, Literatur und die Person, die sich am meisten für die Aussöhnung der Völker geleistet hatte.[1]

Die Mathematik, für viele die Königsdisziplin unter den Wissenschaften, sucht man vergebens in seiner Aufzählung. Für viele Mathematiker auch über hundert Jahre nach der ersten Verleihung der Nobelpreise ein kaum nachvollziehbare Wille Nobels. Viele mutmaßen, dass seine Entscheidung auf einer tiefen Abneigung gegenüber der Mathematik beruht haben könnte. Um die Frage, auf welchem Schlüsselerlebnis seine angenommene Abneigung beruhen könnte, ranken sich Legenden, von denen einige sich sehr schnell ausräumen lassen. So kann es zum Beispiel nicht wahr sein, dass seine Ehefrau ihn mit einem Mathematiker betrogen hatte, denn der bedeutende Erfinder war nie verheiratet gewesen. Aber was, wenn es nicht seine Ehefrau sondern seine Geliebte gewesen wäre? Ende 1887 lernte Alfred Nobel die Mathematikerin Sofja Vasiljevna Kowalewskaja[2] kennen, die er vergeblich umworben haben soll. Aber es ist nichts darüber bekannt, dass es wirklich zu einer Affaire zwischen den beiden gekommen wäre. Dennoch hät sich beharrlich das Gerücht, dass es keinen Nobelpreis für Mathematik gibt, weil sie ihn wegen Gösta Mittag-Leffler, ebenfalls Mathematiker, verlassen habe. Hätte er einen Nobelpreis für Mathematik ausgeschrieben, wäre Mittag-Leffler möglicherweise einer der Anwärter gewesen. Also wollte er nur einem Nebenbuhler nicht diesen Preis gönnen? Allerdings ist auch von einer Liebesbeziehung zwischen den beiden Mathematikern Kowalewskaja und Mittag-Leffler nichts überliefert.

Aber, wenn man nun folgert, dass noch nie ein Mathematiker den begehrten Preis erhalten hat, so irrt man sich. Unter anderem erhielt ihn der Mathematiker John Nash 1994 für seine herausragenden mathematischen Leistungen im Gebiet der Spieltheorie. Verliehen wurde ihm allerdings der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften, da dort seine Theorien angewendet werden.


  1. Auszug aus Nobels Testament: "... Das Kapital, vom Testamtensvollstrecker in sicheren Wertpapieren realisiert, soll einen Fonds bilden, dessen jährliche Zinsen als Preise denen zuerteilt werden, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben. Die Zinsen werden in fünf geiche Teile geteilt, von denen zufällt: ein Teil dem, der auf dem Gebiet der Phsyik die wichtigste Entdeckung oder Verbesserung gemacht hat; ein Teil dem, der die wichtigste chemische Entdeckung oder Verbesserung gemacht hat; ein Teil dem, der die wichtigsten Entwicklung auf dem Gebiet der Physiologie oder der Medizin gemacht hat; ein Teil dem, der am meisten oder besten für die Verbrüderung der Völker und für die Abschaffung oder Verminderung der stehenden Heere sowie für die Bildung und Verbreitung von Friedenskongressen gewirkt hat."
  2. Sofja Vasiljevna Kowalewskaja (1850 - 1891), andere Schreibweisen ihres Namens, bedingt durch verschiedene Transkriptionen des russischen Namen Софья Васильевна Ковалевская: Sofia oder Sophie Kovalevskaia, Kovalevskaya, Kowalewski, Kovalewski
    Sofjas Interesse für Mathematik wurde bereits auf eine wohl einmalige und ungewöhnliche Weise geweckt. Bei der Renovierung des Wohnhauses hatte man nicht mehr genügend Tapete, um ihr Kinderzimmer zu tapezieren. Man entschied sich die Wände ihres Zimmers mit Papieren zu bedecken, die man auf dem Dachboden gefunden hatte. Dabei handelte es sich um das Skript einer Vorlesung über Differential- und Integralrechnung, welches ihr Vater bei seinem Studium gehört hatte. So schlief sie nicht mit kindgerechten Bildern ein, sondern sinnierte über die ihr unverständlichen und geheimnisvollen mathematischen Zeichen an den Wänden, deren Sinn sie allerdings erst viel später verstand. (Der letzte Nebensatz sollte besonders beachtet werden, damit nicht ein neuer Mythos entsteht!)


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